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„Das Filmset hat seine eigenen Regeln“
- Wolfgang Jahnke über Standphotographie -


Film und Fotografie sind zwei Paar Schuhe! Denn ich fange mit dem Fotoapparat nur einen Bruchteil von gespielten Szenen ein.  Da ist keine Musik, kein Ton, keine Bewegungen, keine Effekte!  Es ist meine Aufgabe, das Foto sprechen zu lassen, eine Besonderheit zu geben! Ein Kinofilm hat zum Erzählen mehr Raum und mehr Zeit als eines meiner Fotos!
In den neunziger Jahren habe ich einige Vorlesungen an der HdK zum Thema Standfotografie gehalten. Dort habe ich mit den Schülern genau dieses, nämlich den Unterschied zwischen bewegten und stehenden Bildern erarbeitet. Dabei habe ich großen Wert darauf gelegt, dass die Schüler trotz der Vorgabe des Films eine eigene Sichtweise entwickeln. Manchmal ist es einfach wichtig, über Grenzen und Vorgaben hinauszugehen und eine bestimmte Situation zu seiner eigenen zu machen.
Bei einer Filmproduktion begleite ich die  Arbeit am Filmset wie ein Reporter. Dabei interessiert mich nicht nur die Herstellung der Filmplakate, die später in unzähligen Schaukästen zu sehen sind,  und die Herstellung weiterer Werbematerialien. Vielmehr lag es schon immer in meinem Sinne, die gesamten Dreharbeiten zu begleiten und aus meiner Sicht zu dokumentieren. Dazu gehören auch Szenen, die am Rande des Filmsets entstehen. Während der Drehpausen oder während des Caterings geschehen häufig Besonderheiten,  die auf ihre eigene Art und Weise interessant sind. Die Kamera lege ich nie aus der Hand! Oft hat es mich selber überrascht, wie ein Komparse plötzlich auf einem meiner Fotos zu seinem großen Auftritt kommt und  in ein anderes Licht gerückt wird. Diese Momente möchte ich neben den Dreharbeiten festhalten und somit unvergessen machen. Ich möchte mit meinen Arbeiten dem Geschehen am Set eine eigene Sichtweise geben.
Das Filmset hat seine eigenen Regeln! Leander Haußmann und Detlev Buck haben einmal zu mir gesagt „Hey  Wolli, Du setzt Dich einfach über alles hinweg! Machst hier am Set Dein eigenes Ding und hast immer Deine eigene Sichtweise!“ Genau darin liegt auch meine Motivation, die Vorgaben der Standfotografie zu brechen und über das  hinauszugehen. Somit gebe ich dem Ganzen eine eigene Note! Und genau das muss ich auch: Mein eigenes Ding machen! Der Standfotograf ist am Set die einzige „Ein-Mann-Abteilung“. Das verlangt Durchsetzungsvermögen. Meine kräftige Bassstimme und die Fähigkeit im richtigen Moment die Ellenbogen auszufahren waren dabei meist von Vorteil.
Mich hat immer motiviert,  nah am Künstler zu arbeiten. Dadurch kann ich ein eigenes Gefühl zu dem Künstler bzw. dem Produkt entwickeln. Dies ist gerade beim Film sehr wichtig. Ich muss eine direkte Beziehung zum Schauspieler aufbauen, so dass es mir gelingt, im richtigen Moment das Bild festzuhalten.  Film und Fotografie ist etwas ganz anderes. Ich kann mich in meinem Beruf nicht auf den Film verlassen, sondern muss in den entscheidenden Momenten da sein und "zuschnappen", um dem Foto selbst Ausdruck zu geben. Ist eine Szene abgedreht, dann ist sie abgedreht. Sie wird für den Standfotografen nicht endlos wiederholt, nur damit dieser seine Arbeit machen kann.
Im Laufe meiner 40jährigen Tätigkeit am Set bin ich Filmfanatikern, wie Ingmar Bergmann und Rainer Werner Fassbinder begegnet. Eine der eindringlichsten Begegnungen war die mit John Huston.
Wir lernten uns während der Dreharbeiten zu „Momo“ kennen, dem wohl für mich interessantesten Film. Es war der letzte Film mit Huston. Es hat mich  sehr bewegt, trotz einer krankheitsbedingten Beatmungshilfe, die er trug, ließ er mich Portraits von ihm machen. Ein toller Mensch, völlig uneitel! Wir haben uns gut verstanden. Abends waren wir mal Wodka trinken. Einfach eine aufregende Zeit - zehn Wochen Dreharbeiten in den Cinecittà Studios in Rom mit einer internationalen Besetzung und einem tollen Team.
Aber nicht nur die großen, auch kleine Filme können großen Eindruck hinterlassen. "Einmal Arizona"- ein Road Movie mit wenigen und eher unbekannten Schauspielern. Diese Produktion kommt mit wenigen Effekten aus, überzeugt aber durch ein aussergewöhnlich Flair der berühmten Route 66.
Viel Spaß hat es mir gemacht, mit Komikern zusammenzuarbeiten. Wenn sie andere Berühmtheiten persiflieren, dann beherrschen sie eine einzigartige, aussagekräftige Mimik und Körpersprache. Otto Waalkes ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Immer wenn ich die Aufgabe hatte, ein Filmplakat zu einem seiner Filme zu produzieren, wusste ich, ich brauche nur einen Sockel und stelle Otto drauf! Mehr musste ich nicht machen. Das Produkt „Otto“ steht für sich. Otto ist wie eine eigene Marke. Seine Körpersprache macht meine Fotos lebendig.
Als erfolgreicher Fotograf muss man eigenständig Ideen entwickeln, um den Kunden zu begeistern. Ein Beispiel: Als Jürgen von der Lippe mich für ein Plattencover engagierte, habe ich mir ein  „Marilyn-Sofa“ organisiert (ein Designer Sofa, in Form einer roten Lippe, das nur in einer ganz kleinen Auflage auf der Markt gebracht wurde) . Da habe ich ihn draufgesetzt und das Markenzeichen "Von Der Lippe" komplettiert.
Mit Otto habe ich 5 Filme gemacht u.a. „Otto- der Film“, „Otto –Der Liebesfilm“ bis hin zum „Katastrofenfilm“ . Dann kam HaPe Kerkeling mit seinen Filmen „Kein Pardon“ und „Samba in Mettmann“ hinzu. Und dann war da natürlich die Arbeit mit Loriot. Es gibt wohl kaum einen anderen Fotografen auf diesem Planeten, der mehr Fotos von Vicco von Bülow gemacht hat als ich. Er war ein Perfektionist, der mich immer begeistert hat. Bei der Zusammenarbeit habe ich gelernt, mir über alles, was ich mache vorher Gedanken zu machen und dies mit einer Präzision und Sorgfalt auszuführen. Vor der Arbeit sind die Hausaufgaben zu machen, da war Loriot gnadenlos. Das hat abgefärbt. Bis heute!






 
 
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